Wir machen uns nochmals auf, um an einem Sonntag zwischen Basel und dem Tessin mit LKW-Fahrern zu reden. Die Hitze staut sich auf dem Parkplatz an der Grenze bei Lörrach. Laster steht neben Laster.
Ein junger Rumäne will gerne mit uns reden, aber bitte keine Fotos, keine Namen. Seit 16 Tagen ist er unterwegs. Er hat gestern in der Schweiz Paletten abgeladen. Was er geliefert hat, weiss er nicht. Er brachte die Ware aus Deutschland, vorher war er in Britannien, in Deutschland, Österreich oder Holland oder umgekehrt? So genau kann er sich nicht mehr erinnern. Morgen fährt er nach Holland. Für gewöhnlich sei er drei Monate unterwegs und bleibe danach zehn Tage daheim.
Er arbeitet für eine rumänische Firma und sagt, er verdiene 1200 Euro pro Monat. Er hat einen Bachelor in Psychologie und würde gerne weiter studieren, aber es fehlt ihm das Geld. Vor einem Jahr hat er geheiratet. Versonnen sagt er: «Wenn du so viel unterwegs bist, kommt es dir, wenn du wieder mit deiner Frau zusammen bist, jedes Mal vor wie in der Hochzeitsnacht.» Er lebt mit seiner Frau in Bukarest in einer Wohnung, die monatlich 250 Euro Miete kostet.
Wenn du so viel unterwegs bist, kommt es dir, wenn du wieder mit deiner Frau zusammen bist, jedes Mal vor wie in der Hochzeitsnacht. Rumänischer Lastwagenfahrer
Er beginnt nochmals übers Einkommen zu reden, und es stellt sich heraus: Er erhält einen Grundlohn von 250 Euro pro Monat plus sogenannte Spesen von 45 Euro pro Tag. Wenn er in drei Monaten zwanzig Tage arbeitet, ergibt das 1150 Euro. Wenn er nicht unterwegs ist, erhält er nur den Grundlohn.
Ein anderer Rumäne kommt hinzu, steht mit verschränkten Armen breitbeinig daneben und hört zu. Irgendwann mischt er sich ins Gespräch ein, erzählt, dass er vor sechs Monaten das letzte Mal zu Hause war. Er fährt für eine italienische Firma frisches Obst und Gemüse in den Norden. Pro Monat verdient er 2700 Euro. Diesen Job wolle er nicht riskieren, darum bitte keine Fotos, keine Namen.
Er berichtet aber auch, dass er von seinem Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag verlangt hat. Bis heute hat er nichts bekommen. Vor einigen Monaten brach er sich beim Abladen die Hüfte. Danach war er fünf Monate arbeitsunfähig. In dieser Zeit verdiente er nichts. Er ist überzeugt, dass die Firma ihn schwarz beschäftigt. Aber er verdiene gut, darum wolle er nicht klagen.
Eine Raststätte weiter. In der Ferne erhebt sich im Dunst die Rigi. Drei Männer stehen um einen Gaskocher. Im Topf schwimmen in einer Suppe Würste. Ihre Fahrzeuge tragen polnische und litauische Kennzeichen, aber sie kämen aus Weissrussland und der Ukraine, sagen sie.
Der eine Weissrusse ist um die dreissig. Ein kleiner, drahtiger Mann, der angetrunken wirkt. Wozu er mit uns reden soll, fragt er. Dann tut er es doch. Zeigt uns auch seine Kabine, die perfekt aufgeräumt ist, nur auf dem Boden liegt eine leere Wodkaflasche.
Er sagt, er sei absolut happy, er verdiene 2300 Euro im Monat. Er zieht sein Handy hervor, zeigt stolz Bilder seiner 9-jährigen Tochter und seines Labradors. Beide lebten bei seiner Ex-Frau, sagt er. An Weihnachten wird er sie wieder sehen. Dann wird er neun Monate ununterbrochen unterwegs gewesen sein.