Kapitel 1

Europa, das Lebewesen

Der Gütertransport auf der Strasse quer durch Europa ist konkurrenzlos billig, weil die osteuropäischen Chauffeure zu Dumpinglöhnen arbeiten. Viele von ihnen fahren auch durch die Schweiz. Eine Reise zu den Fernfahrern.

Für Fernfahrer ist Europa ein Lebewesen. Die Autobahnen sind seine Adern und sie, die Fahrer, versorgen den Organismus mit allem, was er zum Leben braucht. Darauf sind sie stolz.

Was die LKW-Fahrer aber kaputt macht, ist ihr Alltag. Wochenlang sind sie unterwegs und hausen in ihren engen Kabinen. Oder wie es einer der Fahrer ausdrückte: «Sie wollen wissen, wie es sich anfühlt, im LKW zu leben? Gehen Sie in Ihr Badezimmer und arbeiten Sie einen Tag lang dort drin. Verbringen Sie dort noch Ihre Freizeit und schlafen Sie dort. Das Essen kochen Sie auf einem Gaskocher vor der Badezimmertüre. Machen Sie das mal mehrere Wochen lang, dann wissen Sie, wie es sich anfühlt.»

Die Arbeitsbedingungen der Fahrer sind so mies, weil westliche Firmen ihren Fuhrpark teilweise oder ganz in den Osten ausgelagert haben, um Kosten zu sparen. Deshalb sind auf westeuropäischen Strassen – unter anderem auch auf der Gotthardroute – viele osteuropäische Fahrer unterwegs, die zu osteuropäischen Löhnen arbeiten. Was eigentlich illegal ist, weil dadurch die Mindestlöhne der westlichen EU-Staaten unterlaufen werden (siehe «Jiri Gabrhel gegen die Deutsche Post»).

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Fragt man Jon Pult, den Präsidenten des Vereins Alpen-Initiative, warum sich seine Organisation – die sich dem Schutz der Alpen verpflichtet hat – plötzlich mit den Arbeitsbedingungen der LKW-Fahrer beschäftigt, sagt er: «Wir haben uns gefragt, warum es mit der Verlagerung nicht vorwärts geht. Und da haben wir realisiert: Solange die LKW-Fahrer unter so miserablen Bedingungen arbeiten müssen und dermassen ausgebeutet werden, wird die Schiene nie konkurrenzfähig sein.»

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